Die Hauswaldkapelle, das „Lourdes des Böhmerwaldes“ lebt wieder auf. In unserer übertechnisierten Welt, in der die Menschen über eine bessere Bildung und über eine Fülle von Informationen verfügen, treten einem immer wieder schwer lösbare Lebenssituationen entgegen, in denen man auf Hilfe außerhalb realistisch greifbarer Erkenntnisse, das heißt, auch auf ein Wunder hofft. Aus der Natur schöpfen wir heute mehr in seelischer Art Trost und Hilfe. Anders unsere Vorfahren, die Hilfe und Trost bei kleinen Kapellen fanden und an wundersame Heilung, eben an Wunder, glaubten. Auch heute wenden wir uns wieder der Natur zu und erfahren ihre heilsame Wirkung auf unsere Seele. Diese Haltung war uns abhanden gekommen, wir meinten, wir müssten uns die Natur untertan machen, sie demütigen und unterjochen.
Das Leben der Böhmerwäldler von einst war im Vergleich zu heute um vieles schwerer. Ihnen aber half der Glaube an Gott und an ein besseres Jenseits, und wahrscheinlich gab es früher mehr glückliche und zufriedene Menschen als heutzutage. Kirchen und Wallfahrten, Orte an denen Wunder geschahen, gehörten zum alltäglichen Leben. Die Menschen suchten sie auf, flehten
mit ihren Bittgebeten um Erhörung und um Hilfe.
Ein solcher Ort befand sich unweit von Rehberg/Srni in Böhmen. Vielleicht ist die Geschichte der Hauswaldkapelle wenig bekannt und soll deshalb in diesem Beitrag wieder in Erinnerung gebracht werden. Um die Hauswaldkapelle ranken sich manche Legenden. Hierher pilgerten Gläubige sogar von weit her, z. B. aus dem heutigen Italien, aus Tirol. An diesen Ort begaben sich Menschen, die an einer Sehschwäche litten oder gar erblindet waren. Nachdem sie ihre Augen mit dem
Wasser der dortigen Quelle netzten, begannen sie wieder gut zu sehen.
Um die Dankbarkeit und den Glauben der Menschen zu bezeugen, wurde an diesem Ort der Wunder im Jahre 1820 die erste Kapelle erbaut. 1860 erfolgte der Neubau einer größeren
Kapelle, um den Wallfahrerstrom aufnehmen zu können. Die dritte Kapelle errichtete man im Jahre 1902.
1957 wurde dieses schöne Marienheiligtum im Zusammenhang mit der Gründung des damaligen militärischen Sperrbezirks in die Luft gesprengt und dem Erdboden gleich gemacht. Man konnte zwar die Kapelle, jedoch nicht den christlichen Glauben vernichten. Die vertriebenen Böhmerwalddeutschen hatten in der Kapelle all das zurückgelassen, was ihnen kostbar erschien: Hinterglasbilder, Kruzifixe, Heiligenfiguren. Wie durch ein Wunder blieb trotz der gewaltigen Explosion die Statue der Jungfrau Maria von Lourdes erhalten, die heute in der Rehberger Kirche verehrt wird. Wenn auch die ehemalige Hauswaldkapelle zerstört war, die Erinnerung an diesen Wallfahrtsort konnte jedoch nicht ausgelöscht werden.
Aus diesem Grunde haben der Klostermannverein Rehberg/Srni und der Nationalpark Böhmerwald/Šumava die Fundamente der Hauswaldkapellen freigelegt und konserviert. Die Heilquelle wurde neu gefasst und fließt in handbehauenen Holzrinnen
über 59 Findlinge, die die Perlen des Rosenkranzes symbolisieren, in einen Glasblock mit zwei offenen Händen. Die umlaufende Inschrift, in tschechischer, deutscher, englischer und lateinischer Sprache lautet:
„Wer dürstet, trete herzu, wer Verlangen hat, schöpfe das Wasser des Lebens!“
Die Hauswaldkapelle ist nun wieder zu einem Ort der Begegnung und Besinnung, vor allem für die ehemaligen Böhmerwäldler, geworden.
Diese Wallfahrtsstätte möge auch künftigen Generationen ein Zeichen sein, dass sich gegenseitiger Hass, Vertreibung, Vernichtung sakraler Denkmäler nie mehr wiederhole!
Christa und Willi Steger