Willi Steger erzählt:
Seit meiner frühesten Jugend hatte der Böhmerwald eine große Bedeutung für mich, kamen doch viele Glasmacher und Glasschleifer aus den böhmischen
Glashütten in die Oberpfalz und erzählten von ihrem Böhmerwald. Als ich später in den Bayerischen Wald übersiedelte, konnte ich vom Gipfel des Rachel weit in den Böhmerwald schauen. Doch damals
war es ein unerfüllbarer Traum, in diesem geheimnisvollen, dunklen Böhmerwald zu wandern und die Moore und Filze zu erkunden, gab es doch den undurchdringlichen „Eisernen Vorhang“.
Nach der Grenzöffnung 1989 und dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur konnte endlich mein Traum Wirklichkeit werden. Seit dieser Zeit wandere ich sehr gerne mit meiner Frau in den
melancholischen Wäldern und zu den dunklen Moorseen in Böhmen.
Auch der Bayerische Waldverein, Sektion Spiegelau, hatte sehr bald die Schönheit dieses Gebietes erkannt und Fahrten dorthin organisiert. Bei einer der ersten Reisen nach Rehberg / Srni und einer
Wanderung durch das Widratal, lernten wir den damaligen Leiter des Erholungsheimes in Srni, Václav Sklenář, kennen. Es war eine Freundschaft auf den ersten Blick. Wenn auch die Sprache noch ein
Hindernis war – die Herzen verstanden sich auch ohne Worte!
Im Laufe der Zeit besuchten wir unseren Freund Václav Sklenář des Öfteren und wir erwanderten gemeinsam „seinen Böhmerwald“. Viele Ziele wählten wir aus dem Buch „Die künischen Freibauern“.
Václav wollte anhand dieses Buches Historisches von den früheren Bewohnern des Böhmerwaldes erhalten.
Nach der Wende ging es mit dem Erholungsheim immer mehr bergab. Die Betreiber zogen sich sukzessive zurück und Sklenář überlegte, das ganze in ein Hotel umzuwandeln. Diese Umfunktionierung war
nur möglich, neben den tschechischen und ostdeutschen Gästen auch westdeutsche Urlauber zu bekommen. Václav bat uns um Mithilfe:
Wir fuhren mit ihm an einem Wochenende zu unseren Freunden Paul und Elisabeth nach Nürnberg. Unter der Federführung von Paul besuchten wir mehrere Reisebüros. Offensichtlich beeindruckte Václav
Sklenář und schon bald schickten Reisebüros aus Deutschland und Holland Gäste nach Srni in den schönen Böhmerwald.
Den Urlaubern gefiel es, das Geschäft lief gut und so konnte Sklenář mit den ersten Gewinnen das Hotel auf ein internationales Niveau bringen. Auch wir machten Werbung und waren oft mit unseren
Freunden aus Nürnberg, Münster, Borken …, Gäste im Hotel Srni.
Gemeinsame Veranstaltungen wurden organisiert, wie zum Beispiel eine tschechisch-bayerische Bierprobe in St. Oswald.
Im Frühjahr 1998 lud uns Václav Sklenář zu einer Gala-Veranstaltung - Modenschau mit Tombola – nach Srni ins Hotel Šumava ein. Im Foyer stand eine markante Büste, die wir jedoch nicht weiter
beachteten. Am Ende des schönen Abends fragte ich Václav: „was machst du mit dem Erlös dieses Abends?“ Seine spontane Antwort war: „Davon werde ich machen ein Gedenkmal für Karel Klostermann!“
Erstaunt schauten wir ihn an und plötzlich erkannten wir den Zusammenhang zur der Büste im Foyer – es war Karl Klostermann, der Dichter des Böhmerwaldes!
„Da musst Du aber einen Verein gründen“, war meine typisch deutsche Reaktion. „Ja, wenn Du mir dabei hilfst, dann machen wir das, aber grenzüberschreitend“, war Václavs Erwiderung. Das war die
Geburtsstunde des bayerisch-tschechischen Karl/Karel Klostermannvereins.
Viel organisatorische Vorarbeit musste auf beiden Seiten geleistet werden, bis dann im Juli 1998 der „Karl Klostermann – Dichter des Böhmerwaldes eingetragener
Verein“ mit einer bayerischen und einer tschechischen Sektion aus der Taufe gehoben werden konnte. Jede Sektion hat ihren eigenen Vorsitzenden mit Vorstandschaft. Um jedoch das
Völker verbindende Element herauszustellen, wird jedes Jahr ein gemeinsamer Präsident gewählt, alternierend aus Tschechien oder aus Bayern.
Dieser Verein hat sich hohe Ziele gesetzt:
Neben der Pflege von Klostermanns literarischer Hinterlassenschaft gilt als Motto der Vereinsarbeit auch die Wiedererweckung des ideellen Vermächtnisses von Karl Klostermann, nämlich sein
unbeirrtes Eintreten für ein friedlich-gedeihliches Zusammenleben von Deutschen und Tschechen.
Die Resonanz in der Bevölkerung war unerwartet groß und wir erfuhren Unterstützung von Mitgliedern des Bayerischen Waldvereins, Sektion Spiegelau und Zwiesel, des LIONS-Clubs Freyung-Grafenau,
der EUREGIO Bayerischer Wald – Böhmerwald in Freyung, REGIOÁLNÍ ROZVOJOVÁ AGENTURA ŠUMAVA, dem Nationalpark
Bayerischer Wald und Šumava sowie vielen Mitgliedern dieses neu gegründeten Vereins.
Die Voraussetzungen waren gut, die Arbeit konnte beginnen und wurde auch auf beiden Seiten zügig aufgenommen. Zusammen mit unseren tschechischen Freunden, an ihrer Spitze Václav Sklenář,
veranstalteten wir alsbald gemeinsame Treffen, organisierten auf bayerischer Seite Lesungen aus Werken von Karl Klostermann mit Gerold Dvorak, Vorträge mit Prof. Dr. Eberhard Dünninger sowie
zusammen mit dem Nationalpark Bayerischer Wald Exkursionen in den Böhmerwald.
Bereits im Jahr 2002 konnte auf Initiative von Václav Sklenář ein Klostermann-Denkmal auf dem ehemaligen Friedhof in Srni enthüllt werden. Der Text auf der Gedenktafel wurde gemeinsam mit der
deutschen und der tschechischen Sektion abgesprochen.
Karel Faustin Klostermann
1848 – 1923
*
„Básnik Sumavy
Apostol smireni mezi Cechy a Nemci“
*
„Dichter des Böhmerwaldes
Apostel der Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen“
Adolf Heyduk
Zu dieser Feierstunde trafen sich auf Einladung des Klostermannvereins und der beiden Nationalparke sehr viele Interessierte aus Tschechien und Bayern. Der damalige Präsident des LIONS-Clubs
Freyung-Grafenau, Hans Schreiner, überreichte dem Klostermannverein einen beachtlichen Spendenbeitrag zur Finanzierung des Denkmals.
Die Ideen und daraus resultierenden Aktivitäten der beiden Sektionen waren in der Folgezeit öffentlichkeitswirksam:
Ende 2002 wurde an mehrere Schulen in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen sowie in Tschechien eine Anzahl von Klostermannbüchern in deutscher Sprache gespendet, um Karl/Karel Klostermann
bei der jüngeren Generation bekannt zu machen.
Der Grund- und Hauptschule Riedlhütte schenkte Václav Sklenář in Verbundenheit eine Büste von Karl Klostermann, die einen Ehrenplatz erhielt und an die Schulpartnerschaft mit Vlachova Březi
erinnert.
Bei einer Festveranstaltung im Waldgeschichtlichen Museum in St. Oswald erhielten die Leiter der Nationalparke Bayerischer Wald und Šumava, Karl-Friedrich Sinner und Frantisek Žábek, je eine
blaue gläserne Stele als Symbol für die „Blaue Säule“ mit der ausdrücklichen Bitte um Öffnung des historischen Grenzübergangs von Waldhäuser zum Pürstling.
Der Text auf den Stelen lautet:
„Glas ist zerbrechlich, wie Freundschaft und Glück …
Blau, die Farbe der Zukunft, der Freundschaft und der Treue,
Säulen der Freundschaft und Hoffnung der beiden Völker Deutschland und Tschechien.
Beide Völker trennt eine jahrhundertealte Grenze und trotzdem haben die Deutschen und Tschechen in Freundschaft und Frieden zusammengelebt.
Leider haben sich beide Völker auch gegenseitig viel Leid zugefügt.
Wir alle müssen mithelfen, dass die Zukunft der Deutschen und Tschechen in Freundschaft und Frieden verläuft.“
(Dieser Text wurde auch ins Tschechische übersetzt und in beide Glassäulen eingraviert.)
2003 konnte eine Idee von Václav Sklenář, in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Nationalpark Šumava, verwirklicht werden: Am Pürstling entstand ein Info-Zentrum des Nationalparks und ein Museum
für Karel Klostermann. Auch das Ehrengrab von Karl/Karel Klostermann in Pilsen wurde im Auftrag der tschechischen Sektion im Jahre 2003, renoviert und in einer gemeinsamen Feierstunde des großen
Böhmerwald-Dichters gedacht.
In den folgenden Jahren wurden mehre Werke von Karl Klostermann ins Deutsche übersetzt, verlegt und bei Buchtaufen und Lesungen der breiten Bevölkerung vorgestellt. Hier wählte man verschiedene
Orte wie: Waldgeschichtliches Museum St. Oswald, Hans-Eisemann-Haus Neuschönau, Kreisbibliothek Grafenau, Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein, Glasfachschule Zwiesel, Glasmuseum Frauenau, Schloss
Ludwigstal, Pürstling, Rehberg, Hauswaldkapelle, Gutwasser, um Karl/Karel Klostermann einem breiten Publikum vorzustellen.
Da Karl Klostermann während seiner Studienzeit in Wien des Öfteren auf dem historischen „Goldenen Steig“ von Bergreichenstein über die „Blaue Säule“ und St. Oswald nach Passau ging, nahm dies der
Klostermannverein zum Anlass, 2003 auch in St. Oswald einen Gedenkstein aufzustellen.
Ein besonderes Anliegen war für Václav Sklenář, die alte Wallfahrt zur Hauswaldkapelle, dem „Lourdes des Böhmerwaldes“, wieder aufleben zu lassen. Diese ehemalige Wallfahrtstätte war 1957 dem
Erdboden gleich gemacht worden und die Ruinen total überwachsen. Dank seiner guten Kontakte zum Nationalpark Šumava gelang es Sklenář, den Ort zu roden, die Überreste der Kapelle freizulegen und
zu konservieren. Die Heilquelle wurde neu gefasst und läuft nun in einer Holzrinne, die auf 59 großen Steinen lagert (ein Symbol für die Perlen des Rosenkranzes), in eine massive Glasschale in
Form von zwei Händen, gestaltet von der Künstlerin Vladěna Tesařová.
In einer großen Feierstunde konnte dieses Böhmerwald-Heiligtum am Fest Maria Himmelfahrt im August 2006 feierlich eingeweiht werden. Dieser Tag war eine erste große Begegnung von ehemaligen
Bewohnern des Böhmerwaldes mit den Neusiedlern. Seit dieser Zeit kann man hier ständig Besucher von diesseits und jenseits der Grenze antreffen.
Das Wochenende um den 15. August – das Fest Maria Himmelfahrt – ist nun jedes Jahr ein fester Termin im Kalender der beiden Sektionen, um an der Wallfahrt zur Hauswaldkapelle teilzunehmen.
Selbst bei der Landesausstellung in Zwiesel im Jahre 2007, „Bayern Böhmen – 1500 Jahre Nachbarschaft“ würdigte man, auf Veranlassung der beiden Sektionen des Klostermannvereins, den
Böhmerwalddichter Karl/Karel Klostermann als „Apostel der Versöhnung“.
Der Adalbert Stifter Verein, München, veranstaltete im Juni 2007 ein deutsch-tschechisches Seminar im Hotel Srni – Schwerpunktthema: „Karl Klostermann und der Böhmerwald“.
Der 160. Geburtstag und 85. Todestag von Karl Klostermann, im Jahr 2008, wurde von den Klostermannvereinen zum Gedenkjahr proklamiert. Es gab Veranstaltungen und Feiern hüben und drüben:
(Diese Fotoausstellung wurde auch in Pilsen und im Senat des Prager Parlament präsentiert)
Es war ein zähes Ringen auch von Seiten der beiden Klostermannvereine um die Öffnung des historischen Grenzüberganges „Blaue Säule“. Resolutionen wurden verfasst, Demonstrationen organisiert, bis
endlich im September 2008 die vorläufige Grenzöffnung stattfand. In den Sommermonaten kann man nun, zwar nicht auf dem alten „Goldenen Steig“, sondern über einen Umweg über den kleinen Spitzberg,
nach Pürstling wandern.
Eine weitere Aktivität, die sich die tschechische Sektion des Karl Klostermannvereins zur Aufgabe gemacht hat, die Klostermann-Denkmäler am Jarvonik und in Bergreichenstein zu restaurieren und zu
pflegen. Daneben brachte man an Häusern, die mit in Zusammenhang mit dem Wirken von Karel Klostermann stehen, Gedenktafeln an: Bergreichenstein, Pilsen, Schloss Štěkeň, Haag am Hausruck.
Auch in Hurkental, an der ehemaligen Gruft der Glashüttenherren Abele, enthüllten die Vorsitzenden der Klostermannvereine, Václav Sklenář und Dr. Alfons Maurer eine Tafel zum Gedenken an den
Vater Karl Klostermanns. Dr. Josef Klostermann war mit der Familie Abele eng befreundet und fand seine letzte Ruhestätte in der Abele-Gruft in Hurkental. Diese bewegende Feier blieb sicher allen
Teilnehmer noch lange in Erinnerung.
Nicht unerwähnt dürfen viele Anregungen von Václav Sklenář bleiben, wie:
Lieber Václav, Freundschaften kann man nicht bilanzieren, doch wenn wir zurückblicken, dann können wir mit Genugtuung feststellen: Unsere Arbeit kann sich sehen lassen:
Viele haben uns unterstützt, dafür sind wir dankbar. Ein besonderer Dank gilt den Geschäftsstellen von EUREGIO in Freyung und auf tschechischer Seite EUREGIO Stachy. Wir haben gemeinsam viel
erreicht, Freundschaften geschlossen, Vergangenheit bewältigt, nach Deinem Motto:
„Wir haben Fehler in der Vergangenheit gemacht und ihr habt Fehler gemacht,
es liegt jetzt an unserer Generation gemeinsam neu anzufangen!“